Altersdiskriminierung erkennen-verstehen-begegnen
Diese Zielsetzung hatte sich das Netzwerk der Kreisverbände der Senioren-Union Limburg-Weilburg und Westerwald für eine Informationsveranstaltung gesetzt, die am 18. August in Rennerod stattfand. Zu den Themenbereichen Altersdiskriminierung bei jüngeren Menschen, in der Digitalisierung, im Recht und in der gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung wurden in Kurzbeiträgen Ursachen und Wirkungen eingehend dargestellt.
In seiner Begrüßung zeigte sich der Vorsitzende der Senioren-Union des Kreisverbands Limburg-Weilburg Joachim Veyhelmann, stellvertretender Vorsitzender im Hessischen Landesvorstand der Senioren-Union und ehemaliger Landtagsabgeordneter Hessen, erfreut über die Teilnehmerzahl und das Aufgebot der Referenten sowie das Interesse aus der Politik. Er bedankte sich ganz herzlich bei den Organisatoren des Netzwerktreffens, Inge Drossard-Gintner, stellvertretende Vorsitzende der Senioren-Union Limburg-Weilburg, und Paula Maria Maaß, stellvertretende Vorsitzende der Senioren-Union Kreisverband Westerwald,
Die Einleitung in die Thematik hatte Paula Maria Maaß vorbereitet. In ihrem Beitrag gab sie einen kurzen Überblick zum Begriff Altersdiskriminierung: Genese, Bestimmung, Kennzeichen, Lebensbereiche, Rechtsetzung durch EU und Bundesregierung. Auch wenn die Bundesrepublik Deutschland in 2006 das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geschaffen und ebenfalls in 2006 die Antidiskriminierungsstelle des Bundes errichtet habe, stellte Paula Maria Maaß fest, dass das Thema Altersdiskriminierung nicht an Aktualität eingebüßt habe.
Daran anknüpfend gab Sebastian Ullius, Politologe und Mitglied des Kreisvorstands der Jungen Union Limburg-Weilburg und Stadtverbandsvorsitzender der Jungen Union Hadamar, einen Überblick über einige Erkenntnisse auf der Grundlage von statistischen Angaben der der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Die vorliegenden statistischen Zahlen belegten, dass Diskriminierung vor allem von der jüngeren Generation zurückgemeldet würde.
In Ergänzung zum Beitrag von Sebastian Ullius zeigte Robert Fischbach, JU-Kreisvorsitzender Westerwald und Mitglied des Kreistages des Westerwaldkreises, konkret am Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) bei der Bewerbungsprüfung eines weltweit operierenden Konzerns auf, wie ein zugrundeliegender Algorithmus zur Benachteiligung und Diskriminierung führen kann. Die EU wolle, so Robert Fischbach, im Bereich der sicheren KI einen starken Regelungsrahmen entwickeln, der auf Menschenrechten und Grundwerten basiere. Sebastian Ullius wie auch Robert Fischbach berichteten über mangelnde Wertschätzung in ihren Tätigkeits- und Lebensbereichen aufgrund ihres jugendlichen Alters.
Demgegenüber stellte Wilfried Rausch, stellvertretender Vorsitzender Kreisverband Westerwald, die von älteren Menschen wahrgenommene Diskriminierung durch den digitalen Wandel. Konkret benannte er digitale Einschränkungen und Zwänge im Finanzbereich, beim öffentlichen Nahverkehr sowie im DB-Fernverkehr und bei der Einführung der elektronischen Patientenakte. Anhand statistischer Daten konnte er zeigen, dass mit zunehmendem Alter die Internetnutzung enorm abnimmt. Ähnlich sei die Datenlage auch bei der Verwendung digitaler Technologien wie PC, Laptop, Tablett oder Smartphone. Ergebnisse von aktuellen repräsentativen Umfragen belegten, dass sich ein Drittel der Bevölkerung von digitalen Technologien überfordert fühle. Bei den Mitbürgern, älter als 75 Jahre, läge die Zahl der Überforderung bei 57%. Er konkretisierte die Herausforderungen der älteren Menschen und mahnte an, dass bei der Digitalisierung ältere Menschen viel stärker mitgedacht werden müssen.
Zur Darstellung und Bewertung der rechtlichen Seite von Altersdiskriminierung stellte Dr. Björn Schäfer, Richter am Hessischen Verwaltungsgerichtshof, eingangs seines Redebeitrags fest, dass das Thema Altersdiskriminierung zunächst im gesellschaftspolitischen Bereich aufgekommen sei und erst jetzt rechtlich nachgezeichnet werde. Er stellte klar, dass beim Rechtsrahmen unterschiedliche Aspekte aufgezeigt werden müssten. Zu differenzieren sei zwischen den Normen, die das Recht u. a. bei Altersgrenzen setze, und den Wahrnehmungen von altersdiskriminierenden Regelungen. Er zeigte an einigen Beispielen auf, aus welchen Erwägungen starre Altersgrenzen gesetzt wurden. Zu dem Phänomen, dass gerade ältere Menschen Opfer von betrügerischen Machenschaften wie Enkeltrick u. a. m. werden, führte er aus, dass ein Betrugstatbestand bei strafrechtlicher Anzeige selten Erfolg habe. Hier müsse verstärkt Prävention betrieben werden, um aufzuklären.
Für die Bereiche der gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung beleuchteten Inge Drossard-Gintner, Fachärztin für Neurologie und stellvertretende Vorsitzende der Senioren-Union Limburg-Weilburg sowie Mitglied im Landesvorstand, und Dr. Jürgen Steinhauer, praktizierender Facharzt für Allgemeinmedizin und Notarzt, die gegenwärtige Situation im Gesundheitswesen und im Tätigkeitsbereich eines Notarztes. Schwerpunkte der Ausführungen von Inge Drossard-Gintner waren Missstände, die in der medizinischen Versorgung und Pflege älterer Menschen bestünden. Die medizinische Behandlung geschehe altersentsprechend. Eine andere medizinische Behandlung wegen des Alters sei allerdings nicht gerechtfertigt. Die Ungleichheit in der Behandlung gleicher Krankheitsbilder sei nicht durch die anfallenden Kosten im Alter zu begründen. Höhere Kosten fielen erst in den letzten Lebensjahren eines Menschen an.
Dr. Jürgen Steinhauer gab seine Eindrücke als Notarzt wieder. Er selbst sei aufgrund seines Alters Pöbeleien ausgesetzt gewesen. Sein umfangreiches medizinisches Wissen und seine Erfahrung würden kaum geschätzt. Aber auch ältere Feuerwehrleute und Polizisten sähen sich im Dienst immer mehr Pöbeleien ausgesetzt. Diskriminierung sei allgemein ein gesellschaftliches Problem, das nicht vernachlässigt werden dürfe, da daraus sich gesundheitliche Schädigungen bis hin zu Suizidgedanken ergeben könnten.
Die sich anschließende Diskussion machte deutlich, dass die Teilnehmer trotz der Fülle der Informationen bereit waren, sich beim Themenbereich der Altersdiskriminierung einzubringen und den Dialog mit den Referenten zu suchen.
In seinem Schlusswort bedankte sich Otmar May, Vorsitzender der Senioren-Union Kreisverband Westerwald bei den Referenten. Die Vielfalt der Themenbereiche habe aufgezeigt, wie wichtig die Beschäftigung mit dem Thema der Altersdiskriminierung sei. In der Vorstandsarbeit werde dieses Thema weiterhin ein Schwerpunktthema bleiben.
Am Ende der Veranstaltung nutzen die Teilnehmer die Gelegenheit, in Kleingruppen die Beiträge zu refektieren oder von den eigenen Erfahrungen zu berichten.